zurück zur Suche
Zwangsräume Holsteinische Straße 2

Zwangsräume Holsteinische Straße 2

Margarethe Göttling, Leipzig 14.2.1881 – Deportation Theresienstadt 28.5.1943, überlebte / Bruno Falk, Breslau (Wrocław) 16.10.1881 – Auschwitz 1.3.1943 / Wladyslaw Wolf Arenstein, Warschau (Polen) 5.1.1891 – San Diego (Kalifornien) 22.9.1951

Holsteinische Straße 2a

Zwangs
räume

Antisemitische Wohnungspolitik
in Berlin 1939-1945

Die Gedenkkacheln befinden sich an der Außenwand des Hauses und direkt unter dem Hausnummernschild „2a“. Die Kachel oben links bildet den Grundriss des Gebäudes ab. Die Kachel oben rechts erinnert an die Überlebende Margarethe Göttling. Die Kachel unten links erinnert an den ermordeten Bruno Falk. Die Kachel unten rechts erinnert an den ehemaligen Hauseigentümer und Überlebenden Wladyslaw Wolf Arenstein.

Ein überliefertes Mieter-Meldebuch dokumentiert, dass von den 25 Wohnungen des 1902 im Jugendstil erbauten Mietshauses in Wilmersdorf drei Wohnungen zwischen 1939 und 1945 als Zwangsräume genutzt wurden. In dieser Zeit lebten 38 Jüdinnen und Juden in dem Haus in der Holsteinischen Straße 2, von denen 15 deportiert und 14 ermordet wurden. Die einzige Überlebende von den Deportierten war Margarethe Göttling, geb. Salomon, die bereits seit 1939 als eine von sechs jüdischen Hauptmieterin im 3. Obergeschoss des Hauses lebte. Als sog. „Halbjüdin“, die evangelisch getauft und erzogen wurde, konnte sie ihre jüdische Herkunft vorerst verbergen. Die freien Zimmer ihrer Wohnung wurden somit nicht als Zwangsraum an jüdische Untermieter, sondern hauptsächlich an Feldwebel, Soldaten oder Stabszahlmeister vermietet. Am 3. Mai 1942 wurde sie schließlich von der Gestapo entdeckt und in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Am 12. August 1945 kehrte sie körperlich stark geschwächt zurück nach Berlin und konnte durch einen gerichtlichen Beschluss in ihre alte Wohnung zurückziehen. Auch der polnischstämmige Hauseigentümer Wladyslaw Wolf Arenstein konnte überleben. Nachdem das Haus 1939 unter die Zwangsverwaltung des Deutschen Reichs gestellt wurde und Wladyslaw Ende 1939 in Warschau von der Gestapo inhaftiert und misshandelt wurde, gelang diesem gemeinsam mit seiner Familie 1940/41 die Flucht in die USA. Einer der 14 deportierten und ermordeten Jüdinnen und Juden war Bruno Falk. Dieser zog am 1. Oktober 1942 zur Untermiete in die Wohnung der verwitweten Betty Rosenthal, geb. Feblowic. Bruno und drei weitere der insgesamt fünf (Unter)Mieter dieser Wohnung wurden deportiert und ermordet, darunter die Hauptmieterin Betty, die ebenfalls verwitwete Friedericke Finn, geb. Charmak und der Witwer Ludwig Altenberg. Das Haus des jüdischen Eigentümers wurde 1942 an den Generalmajor Heinrich Aschenbrenner aus Wilmersdorf deutlich unter seinem Wert verkauft.

Alle anderen jüdischen (Unter)Mieter des Hauses konnten durch Auswanderung, Umzug in ein Versteck oder aufgrund von sog. „privilegierten Mischehen“ entkommen.

Die Hausgeschichte zu den einzelnen Wohnungen und deren jüdischen Bewohnern ist online unter https://zwangsraeume.berlin/de/houses/holsteinische-strasse-2 dokumentiert.

Die Gedenkkacheln wurden im Rahmen des Projektes „Zwangsräume. Antisemitische Wohnungspolitik in Berlin 1939–1945“ des Vereins Aktives Museum Faschismus und Widerstand in Berlin e.V. und der Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin angebracht, das durch die Alfred Landecker Foundation unterstützt und gefördert wurde. Die Gestaltung und technische Umsetzung des Projektes lag bei dem Zoff Kollektiv (https://www.zoff-kollektiv.net/).

Als Konsequenz aus dem „Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden“ vom 30. April 1939 musste fast die Hälfte der jüdischen Bevölkerung Berlins ihre Wohnungen verlassen und umziehen. Die Betroffenen wurden, vermittelt durch die „Wohnungsberatungsstelle der Jüdischen Gemeinde Berlin“, zur Untermiete in Wohnungen eingewiesen, in denen bereits andere jüdische Mieterinnen und Mieter lebten. Zumeist waren diese Zwangswohnungen der letzte Wohnort vor deren Deportation und Ermordung.
Historisch interessierte Personen, von denen einige heute selbst in ehemals betroffenen Häusern leben, haben die Geschichte dieser Zwangsräume in Berlin anhand von 32 (von stadtweit insgesamt mindestens 800…) ausgewählten Häusern in einem partizipativen Projekt untersucht. Entstanden ist eine digital konzipierte Online-Ausstellung, die unter https://zwangsraeume.berlin abrufbar ist.

zurück