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Zwangsräume Platanenstraße 114

Zwangsräume Platanenstraße 114

Leon Freier, Leipzig 13.3.1921 - 19.1.1942 Deportation Ghetto Riga - 1.1.1944 weiter ins KZ Stutthof - überlebte

Platanenstraße 114

Zwangs
räume

Antisemitische Wohnungspolitik
in Berlin 1939-1945

Die Gedenkkacheln befinden sich an der orangefarbenen Außenwand der Villa. Auf der oberen Kachel wird an die Vorstadtvilla erinnert, welche als Ganzes zur Zwangsunterbringungen genutzt wurde. Die untere Kachel erinnert an den ehemaligen Untermieter und Überlebenden Leon Freier.

In der heutigen Villa der Platanenstraße 114 befindet sich die gemeinnützige Kaspar Hauser Stiftung. Sie bietet Menschen mit Assistenzbedarf, Menschen mit Behinderung und psychisch erkrankten Menschen vielfältige Unterstützungsangebote, wie z.B. Therapien und Pflege, einen Beschäftigungs- und Förderbereich oder die Möglichkeit eines gemeinschaftlichen Zuhauses. Diese Nutzung könnte nicht gegensätzlicher sein zu der der Nationalsozialisten. Diese nutzten die Vorstadtvilla mit ihren acht Zimmern am nördlichen Ende Pankows zwischen 1939 und 1943 als Zwangsunterbringung für 19 Jüdinnen und Juden. Von den 19 jüdischen Untermietern wurden 15 deportiert und ermordet. Einer der Überlebenden war Leon Freier. Dieser lebte zusammen mit Julius Sommerfeld und seiner Ehefrau als eingewiesene Untermieter gemeinsam mit dem Ehepaar und Hauptmietern Aron Arthur und Fanny Studinski in der Kellerwohnung der Villa.

Nach der Deportation und Ermordung des Eigentümers Georg Hermann am 19 Oktober 1942, wurde die Villa ab Januar 1943 durch das Deutsche Reich beschlagnahmt und im selben Jahr durch eine lokale Ortsgruppe der NSDAP genutzt.

Die Hausgeschichte zu den einzelnen Wohnungen und deren jüdischen Bewohnern ist online unter https://zwangsraeume.berlin/de/houses/platanenstrasse-114 dokumentiert.

Die Gedenkkacheln wurden im Rahmen des Projektes „Zwangsräume. Antisemitische Wohnungspolitik in Berlin 1939–1945“ des Vereins Aktives Museum Faschismus und Widerstand in Berlin e.V. und der Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin angebracht, das durch die Alfred Landecker Foundation unterstützt und gefördert wurde. Die Gestaltung und technische Umsetzung des Projektes lag bei dem Zoff Kollektiv (https://www.zoff-kollektiv.net/).

Als Konsequenz aus dem „Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden“ vom 30. April 1939 musste fast die Hälfte der jüdischen Bevölkerung Berlins ihre Wohnungen verlassen und umziehen. Die Betroffenen wurden, vermittelt durch die „Wohnungsberatungsstelle der Jüdischen Gemeinde Berlin“, zur Untermiete in Wohnungen eingewiesen, in denen bereits andere jüdische Mieterinnen und Mieter lebten. Zumeist waren diese Zwangswohnungen der letzte Wohnort vor deren Deportation und Ermordung.
Historisch interessierte Personen, von denen einige heute selbst in ehemals betroffenen Häusern leben, haben die Geschichte dieser Zwangsräume in Berlin anhand von 32 (von stadtweit insgesamt mindestens 800…) ausgewählten Häusern in einem partizipativen Projekt untersucht. Entstanden ist eine digital konzipierte Online-Ausstellung, die unter https://zwangsraeume.berlin abrufbar ist.

Neben der Gedenkkachel der Villa und des Portraits von Leon Freier befindet sich die in eigener Initiative der Stiftung angebrachte Gedenktafel. Diese erinnert an die ehemaligen Eigentümer und Namen der anderen Menschen, die dazu gezwungen waren, in diesem Haus zu leben. Die Enthüllung wurde durch die Kaspar Hauser Stiftung und ihren zahlreichen Mitarbeitenden mit und ohne Assistenzbedarf begleitet und musikalisch von Olaf Ruhl und einem Programm jiddischer Lieder (http://olaf-ruhl.de/) untermalt. Eine Rednerin der Stiftung, Frau Kaufmann, trug ein Gedicht der jüdischen Schriftstellerin Mascha Kaléko vor. Mehr zur Enthüllung und zum erinnerungskulturellem Engagement der Stiftung ist auf https://www.kh-stiftung.de/de/aktuelles/gedenk-kachel-fuer-zwangs-raeume zu finden.

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